Wehrpflicht
Zur Gründungszeit des Regiments gab es keine „Allgemeine Wehrpflicht“, stattdessen wurden die Mannschaften „angeworben“: „Werbeoffiziere“ wurden ausgesandt, die „Freiwillige“ anwarben. Dies geschah regelmäßig in Wirtshäusern, in denen junge Burschen einkehrten. Mit verlockenden Versprechungen, freigiebigen Spenden von Wein und Bier und hübschen Dirnen wurden die Burschen dazu verleitet, das „Handgeld“ für den Soldatendienst anzunehmen. Offiziere und Unteroffiziere wurden oft von bereits bestehenden oder von zwischenzeitlich aufgelösten Truppen übernommen. So wurde auch das neu aufgestellte Regiment „Alt-Württemberg“ im Jahr 1716 unter Eberhard Ludwig aufgestellt.
Eingesetzt wurden die herzoglichen Truppen nicht nur zur Verteidigung Württembergs. Auch zu Kriegsbeteiligungen des Deutschen Kaiserreiches wurden die Truppen eingesetzt. Außerdem waren sie vonnöten um als „Subsidientruppen“ Verwendung zu finden. Diese Truppen ließ der württembergische Herzog als „Söldner“ dienen, um sich dadurch zusätzliche Einnahmen zu verschaffen. Besonders der als verschwenderisch geltende und hoch verschuldete Carl Eugen von Württemberg (1728-1793, Herzog von 1744 bis 1793) nutzte diese zusätzliche Einnahmequelle besonders in den ersten 30 Jahren seiner fast 50-jährigen Regentenzeit. So wurde im siebenjährigen Krieg (1756 bis 1763) 6.000 Mann an Frankreich versprochen.
Im Verlauf des Jahres 1757 setzte Herzog Carl Eugen mehrere „Aushebungen“ durch in denen Patrouillen von Ort zu Ort zogen um junge Burschen mehr oder weniger gewaltsam anzuwerben. Oberamtmänner wurden angewiesen, Rekruten nach Stuttgart zu bringen. Betroffen waren in erster Linie Bauern, Tagelöhner und natürlich „Gesindel“, denen sich die Oberämter damit entledigen konnten.
Später wurde gar durch die „Übelhauser“-Erlasse praktisch jeder Bürger aufgefordert, Mitbürger, die nicht nach der allgemeinen Norm lebten, zu denunzieren, und dem Militär zwangsläufig zu überstellen. Als „Übelhauser“ waren definiert: „alle Räsoneurs, illegale Müßiggänger, unruhige Köpfe, subtile und schleichende Aufwiegler und sonst zur Last fallende Mannspersonen bis zum 60. Lebensjahr“. Über zwei Drittel der Mannschaften waren auf diese Weise zum Kriegsdienst gezwungen.
Oftmals blieb Herzog Carl Eugen auch die Zahlung des Solds schuldig. So beispielsweise auch Hauptmann Johann Caspar Schiller, der im Jahr 1766 die Zahlung des ausstehenden Solds in Höhe 2.000 Gulden beim Herzog selbst monierte. Trotz Zusage Carl Eugens im Jahr 1766 erhielt Schiller das ausstehende Geld erst im Jahr 1775.
Dass diese Zwangsrekrutierungen verbunden mit der kaum vorhandenen Fürsorgepflicht natürlich der Moral und Motivation der Truppe nicht dienlich war zeigte sich bereits nach der Schlacht von Leuthen (Dezember 1757): 428 Tote, Verwundete und Gefangene zählte man auf württembergischer Seite – aber 1.832 Deserteure.
Am 15. Dezember 1757 erließ Carl Eugen das sog. „Deserteurattrappierungsrestrikt“. Damit wurde die Jagd nach Deserteuren nicht nur legalisiert sondern als Frondienst sogar befohlen, der Desertion verdächtige Personen unverzüglich einzufangen. Als Prämie wurde für jeden Deserteur 18 Gulden Handgeld ausgesetzt.
In den folgenden Friedensjahren bis 1799 wurde die Truppenstärke Württembergs auf bis zu 1.200 Mann reduziert. Geldmangel und offensichtlich fehlendes Interesse des Herzogs führten auch zu einer mangelhaften Ausrüstung der Regimenter.
Um 1775 interessierten sich die Engländer für die „Söldnerarmee“ aus Württemberg. Doch Oberst Fancitt, der die Truppen inspizierte meldete „alte, steife, schäbige Überreste vom Siebenjährigen Krieg her, abgenützte und wertlose Waffen“.
Erst 1786 bedienten sich die Holländer wieder eines württembergischen Regiments zu Fuß: 1.982 Mann für den Dienst in holländischen Kolonien. Dafür erhielt Carl Eugen als Inhaber dieses Regiments für jeden Mann 160 Gulden zur Aufstellung und in den Jahren danach jeweils 65.000 Gulden Subsidiengelder.
Auch nach 1791 versuchte Carl Eugen noch Subsidientruppen an das deutsche Reich zu „vermieten“. Doch trotz der mit der französische Revolution ausgelösten Bedrohung durch Frankreich verzichtete der deutsche Kaiser auf die angebotenen 6.000 Mann. Selbst nach der Kriegserklärung Frankreich-Österreich lehnte Wien das Angebot Carl Eugens ab.
Erst Herzog Friedrich II, Neffe Carl Eugens, begann 1799 die Schlagkraft der württembergischen Armee wieder zu stärken. Am 17. August 1799 ordnete Friedrich an, 1.600 Mann zu rekrutieren. Entsprechend der Anzahl der Einwohner musste jeder Ort Rekruten stellen.
Aushebung nach geänderter „Wehrpflicht“
Die Entscheidung, wer von den jungen Männern des Ortes Wehrdienst leisten sollte fiel per Los. Dieser „Wehrpflicht“ ausgenommen waren eine ganze Reihe von Ständen und Berufsgruppen. Auch konnten sich die per Los ermittelten Rekruten durch einen Ersatzmann („Einsteher“), für den eine Kaution zu hinterlegen war, vertreten lassen. Trotzdem war diese Aushebung ein Fortschritt gegenüber der bisherigen Rekrutierungspraxis: den Gemeinden war es nicht mehr möglich, unerwünschte Bewohner (z. B. Asoziale oder Bettler) oder im Gefängnis einsitzende Verbrecher als Rekruten zu stellen.
Militärkonskriptionsordnung von 1806
Am 6. August 1806 erließ der mittlerweile zum König Friedrich I. von Württemberg ernannte Herrscher eine neue Militärkonskriptionsordnung, wonach jeder Untertan verpflichtet sei, Kriegsdienst zu leisten. Der König allein hatte Verfügungsgewalt über alle Wehrpflichtigen. Wehrpflichtig waren alle männlichen Untertanen über 18 Jahre und einer Größe ab fünf Fuß, sieben Zoll (163,3 cm). Die Dienstzeit betrug bei der Infanterie acht, bei der Kavallerie zehn Jahre, wovon nur ein geringer Teil als Grundausbildung und Übungen abzuleisten war.
Dennoch galt auch nach 1806 zahlreiche Befreiungen von dieser Wehrpflicht. So blieben Adel und Söhne von Staats- und Hofbediensteten befreit. Bedingt befreit waren die beiden Residenzstädte Stuttgart und Ludwigsburg sowie Söhne der königlichen Diener, Studenten, Künstler, Lehrer, Lehrjungen und eine ganze Reihe weiterer Berufe und Stände. Allerdings war das „Einstehen“ (Stellung von Ersatzmännern) nur mehr Handels- und Gewerbetreibenden mit mehr als 10.000 Gulden Vermögen erlaubt. Nach der aktiven Dienstzeit hatten die Soldaten noch sechs (Kavallerie) bzw. acht (Infanterie) Jahre als Heeresreserve in Dienstbereitschaft zu stehen. Ab diesem Jahr verbesserte König Friedrich I. auch die soziale und finanzielle Stellung der württembergischen Soldaten. Er ließ das 2Invalidenhaus2 in Stuttgart errichten, gründete eine „Invalidenkompanie“ und „Ehreninvalidenkorps“ und setzte ab 1807 die Versorgungsbezüge der Witwen gefallener oder im Dienst gestorbener Militärangehöriger fest. Ab 1812 hatten auch Kriegswaisen Versorgungsansprüche.
Mergentheimer Aufstand
Die Bürger des erst im April 1809 von König Friedrich I. mit Zustimmung Napoleons in Besitz genommene Mergentheim (seit 1805 Österreichisch, vorher Hoch- und Deutschmeisterorden) versuchten sich gegen die württembergische Rekrutenaushebungen zur Wehr zu setzen. Am 26. Juni 1809 überwältigten Aufständische die württembergische Besatzung in Mergentheim und nahmen sie gefangen. Dadurch wollten sie den König zwingen, dem ehemals freien Reichsgebiet politische Freiheiten einzuräumen.
König Friedrich ließ sich dadurch nicht unter Druck setzen. Am 29. Juni kam es zu einer blutigen Schlacht vor Mergentheim. Die Aufständischen hatten gegen die zusammengezogenen königlichen Bataillone und Schwadronen keine Chance. Der Aufstand war rasch niedergeschlagen.
1809: neue Militärkonskriptionsordnung
Am 20. August 1809 erließ König Friedrich I. eine neue Militärkonskriptionsordnung. Künftig war jeder Württemberg wehrpflichtig, „Einstehen“ (Stellung von Ersatzmännern) war fortan nicht mehr möglich. Die bislang bestehenden zahlreichen Wehrpflicht-Ausnahmen wurden drastisch eingeschränkt. Befreit waren nur noch ehemalige reichsunmittelbare Fürsten und Grafen, die von König Friedrich I. jedoch angehalten wurden, freiwillig Dienst zu leisten. Die Wehrpflicht begann mit der Vollendung des 18. Lebensjahres und endete mit dem 40. Lebensjahr.
Zeitweise hatte Württemberg bis zu 20.000 Mann unter Waffen zuzüglich eines „Landsturms“ mit 100.000 Mann (1814). Letztere waren allerdings nicht mit Gewehren sondern Piken (bis zu 5 Meter lange Lanze) bewaffnet.
Rekrutierungsgesetz vom 17. Februar 1815
Mit dem am 17. Februar 1815 erlassenen Rekrutierungsgesetz hielt König Friedrich I zwar an der allgemeinen Wehrpflicht fest, wurde aber drastisch eingeschränkt. Die Wehrpflicht wurde auf 18- bis 25-jährige beschränkt. Auch der Kreis der grundsätzlich vom Wehrdienst befreiten wurden erweitert. Auch die Stellung von Ersatzmännern („Einsteher“) war Edelleuten, einzigen Söhnen und wohlhabenden Untertanen gegen eine „Einstandssumme“ von jeweils 500 Gulden möglich.
Nachdem Napoleon im Frühjahr 1815 die Insel Elba verließ und in Paris einzog, setzte König Friedrich I. die Umsetzung dieses Gesetzes (das nur für Friedenszeiten anwendbar schien) außer Kraft. Am 2. Juli hatte er 31.000 Mann unter Waffen inklusive 9000 Mann des „Landesdefensionskorp“, wobei er für 20.000 Mann Subsidien von England erhielt.
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